Muslimische Notfallbegleitung
Notfallseelsorge ist Erste Hilfe für die verletzte Seele. Muslimische ehrenamtliche Notfallbegleiterinnen und Notfallbegleiter werden von der christlichen Notfallseelsorge nachalarmiert, wenn Musliminnen und Muslime betroffen sind. Einsatzindikationen sind:
Die muslimischen Notfallbegleiterinnen und Notfallbegleiter bieten in solchen belastenden Situation Beistand und Begleitung für die Betroffenen. Sie halten deren Leid solidarisch aus. Wenn es gewünscht ist, spenden sie Trost aus dem islamischen Glauben oder stehen für religiöse Rituale zur Verfügung. Ihre Ausbildung ermöglicht es ihnen, den Betroffenen notwendige Maßnahmen im Einsatzgeschehen zu erläutern, wie etwa die gesetzlich vorgeschriebene Beschlagnahme eines Leichnams bei ungeklärter Todesursache. Sie vermitteln so auch zwischen den Einsatzkräften und den Betroffenen und helfen dabei, die Situation zu strukturieren und verstehbar zu machen.
Sie unterstützen die christliche Notfallseelsorge, wenn Musliminnen und Muslime Begleitung in Extremsituationen brauchen, aber auch bei Großschadenslagen. Von dieser interreligiösen Zusammenarbeit profitieren alle Beteiligten:
Muslimische Betroffene werden kultur- und religionssensibel begleitet, die christliche Notfallseelsorge findet eine sinnvolle Ergänzung, und die muslimischen Notfallbegleiterinnen und Notfallbegleiter partizipieren an der fachlichen Qualifikation und den bestehenden Strukturen der Notfallseelsorge. Ein Raum des Lernens und der Zusammenarbeit über religiöse und kulturelle Grenzen hinweg eröffnet sich.
Seit 2009 bildet die Christlich-Islamische Gesellschaft in Kooperation mit dem Landespfarramt für Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland ehrenamtliche muslimische Notfallbegleiterinnen und Notfallbegleiter aus. Das Curriculum ist in enger Abstimmung mit den muslimischen Organisationen in Nordrhein-Westfalen erstellt worden. Die Ausbildung findet mit fachlicher Unterstützung von Mitarbeitenden der ökumenischen Notfallseelsorge, der Polizei und der Feuerwehr statt.
Die enge Kooperation mit den bestehenden Systemen der Notfallseelsorge ist inhaltlich und organisatorisch alternativlos. Sie ist ein gelungenes Beispiel interreligiöser Zusammenarbeit.
Der Aufbau des Projekts erfolgte seitens der CIG seit 2009 ehrenamtlich. Eine Förderung des Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen ermöglicht es, die muslimische Notfallbegleitung stärker zu vernetzen und auszubauen.
Wann und wo Kurse zur Ausbildung neuer Notfallbegleiterinnen und Notfallbegleiter stattfinden, entnehmen Sie bitte den Menüpunkten Aktuelles und Kursinfos.
Nach Abschluss ihrer Ausbildung verpflichten sich die NFB zu einer mindestens zweijährigen Mitarbeit in der Notfallbegleitung. Sie tun ihren Dienst ehrenamtlich.
Die NFB werden durch die Notfallseelsorge nachalarmiert. Wenn ein Notfall eintritt, können die Rettungskräfte oder die Polizei bzw. deren Leitstellen die Notfallseelsorge alarmieren. Sind Musliminnen und Muslime betroffen, kann die Notfallseelsorge die muslimische Notfallbegleitung nachalarmieren.
In den allermeisten Fällen endet der Einsatz der NFB, wenn sie den Einsatzort verlassen. Sie leisten keine über die Akutphase hinaus andauernde Begleitung der Betroffenen. Für eine längerfristige Begleitung werden sie nicht ausgebildet. NFB übernehmen auch keine Krankenhausseelsorge, Hospizarbeit oder Sterbebegleitung. Für diese Bedarfe müssen mittelfristig andere Angebote geschaffen werden. Die Nachbesprechung der Einsätze erfolgt in der Regel mit der Notfallseelsorgerin oder dem Notfallseelsorger.
Da die muslimische Notfallbegleitung ehrenamtlich arbeitet, ist es völlig klar, dass die Einsatzzeiten der NFB beschränkt sind. Je nach beruflicher Tätigkeit und Familiensituation lassen sich Zeiten vereinbaren, in denen NFB alarmiert werden können. Diese werden in Listen festgehalten und regelmäßig aktualisiert.
Bewährt hat sich die Einrichtung von Rufbereitschaften, die eine Woche dauern. Wer Rufbereitschaft hat, kann bei eingehenden Einsatzanfragen den Einsatz entweder selbst übernehmen oder anhand der Teamliste eine oder einen NFB ansprechen, die/der über besondere Kompetenzen verfügt, die für den konkreten Einsatz gebraucht werden.
An den meisten Orten, an denen wir tätig sind, gibt es auch bisher schon kleinere oder größere Teams von NFB. Im besten Fall sind die Teams sehr divers aufgestellt. Es ist sinnvoll, dass sie aus Männern und Frauen bestehen, und dass die Mitglieder möglichst viele unterschiedliche Sprachen und kulturelle Kenntnisse mitbringen. Musliminnen und Muslime in Deutschland sind in ihren Herkünften sehr divers. Je mehr Sprachen in den Teams gesprochen werden, desto besser können die unterschiedlichen Bedarfe bedient werden. Dies ist bedeutsam, weil Menschen in extrem belastenden Situationen oft in ihrer Muttersprache besser als in anderen Sprachen ansprechbar sind. Je nach Einsatzsituation kann es darüber hinaus relevant sein, ob eine Notfallbegleiterin oder ein Notfallbegleiter den Einsatz annehmen. Nach Möglichkeit koordiniert ein Mitglied das Team. Teamtreffen und Fortbildungen sorgen für den Austausch im Team.
Wir haben 2009 den Begriff „Begleitung" gewählt, weil wir die Besonderheiten des christlichen Seelsorgebegriffes nicht einfach auf den Islam übertragen wollten. Heute existiert zur Frage eines islamischen Seelsorgebegriffs eine rege Fachdebatte, die eine Vielzahl von Argumenten pro und contra in Austausch bringt. Unser Ziel war damals, niemanden zu vereinnahmen und den Unterschieden in den Konzepten von Seelsorge und Fürsorge Rechnung zu tragen. Mittlerweile gibt es muslimische Initiativen, die den Seelsorgebegriff gebrauchen. Wichtig ist, dass Menschen in Not geholfen wird.